Zu einem ungewöhnlichen Gottesdienst hatte die Pfarrei Auferstehung Christi geladen: Zu einem Kino-Gottesdienst mit dem Titel „Dem Himmel ganz nah“. Was die Besucher an diesem Samstagabend (7. März) auch noch zur üblichen Filmzeit um 20:15 Uhr erwartete, wussten diese selbst nicht recht. Das ansprechende Plakat lockte zahlreiche Besucher aus nah und fern an.
Sie betraten eine abgedunkelte, mit vielen bunten Lichtern erleuchtete Kirche durch einen Eingang, der ganz in ein blaues Licht gehüllt und mit Wolkenformationen dekoriert war. An den Säulen vor dem Altar war eine Leinwand gespannt, rechts und links von den Säulen gingen Schnüre mit bunten Stoffbahnen weg, die zwei Zelte andeuteten. In dieser stimmigen Atmosphäre nahmen die Besucher Platz und ließen sich auf einen etwas anderen Gottesdienst ein.
Dieser begann mit dem Einzug der Geistlichen, Präfekt Gerhard Pöpperl aus Regensburg und Pfarrer Jaison Thomas und den Ministranten, begleitet von sphärischen Orgelklängen, mit denen Organist Roland Assion gekonnt die Stimmung passend zum Thema erzeugte.
Aber was ist nun ein Kino-Gottesdienst? Das Besondere daran ist, dass zu den eigentlich wortlastigen Lesungen aus der Heiligen Schrift bewegte Bilder, also Filmausschnitte, dazukommen, die das Wort Gottes verdeutlichen sollen. Eingebettet ist diese außergewöhnliche Art des Wortgottesdienstes in einen ansonsten normalen Messablauf.
Im Pirker Kinogottesdienst ging es um Mt 17, 1 bis 9:
In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, es erschienen ihnen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemandem von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt ist!
Die Filmausschnitte wurden dem Film „Sieben Jahre in Tibet“ entnommen. Der Film handelt von dem österreichischen Bergsteiger Heinrich Harrer, der zur Nazi-Zeit in Richtung Tibet aufbrach, um sich einer Expedition anzuschließen. Seine schwangere Frau ließ er zurück. Harrer landete schließlich beim 14. Dalai-Lama, damals noch ein Kind. Das geistliche Oberhaupt des Tibet war sehr interessiert an dem Europäer. Zwischen den beide entwickelte sich eine echte Freundschaft. Harrer sah in dem jungen Daleirlama vermutlich einen Art Ersatz für seinen eigenen Sohn, den er nie zu Gesicht bekam, da er aufgrund des Ausbruches des 2. Weltkrieges nicht zu Frau und Sohn zurückkehrte.
Pfarrer Jaison Thomas trug das Evangelium in drei Abschnitten vor, bevor jeweils ca. zehn Minuten des Filmes zu sehen war. Anschließend verband Präfekt Gerhard Pöpperl Gehörtes und Gesehenes gekonnt und deutete den Gottesdienstbesuchern sehr einprägsam die Stelle der Heiligen Schrift. Die Filmausschnitte unterstrichen das Wort Gottes oder zeigten einen Gegensatz, d.h. der Protagonist des Films verhielt sich genau gegensätzlich:
Präfekt Gerhard Pöpperl: „Wer auf den Gipfel eines hohen Berges steigt, der wird sich seinen Begleitern als der offenbaren, der er im tiefen Inneren wirklich ist. Heinrich Harrer, der als Lichtgestalt, als „Held der Berge“, in den Himalaja aufgebrochen ist, offenbart sich als alles andere als heldenhaft. Hinter seiner stolzen und selbstsicheren Fassade verbirgt sich ein zutiefst unsicherer, suchender Mann, gequält von den großen Fehlern, die er im Leben schon begangen hat. Und während er das ferne Land durchstreift, sind seine Gedanken bei seinem Sohn, den er verlassen hat.
Als Jesus mit seinen Jüngern auf den Berg steigt, offenbart auch er sich als der, der er wirklich ist. Nur ist es bei ihm umgekehrt. Hinter seiner Menschlichkeit bricht sein göttliches Wesen hervor. Der einfache Mensch, Jesus von Nazareth, offenbart sich auf dem Berg als Lichtgestalt, ohne jeden Makel.
Wir selbst sind ganz sicher nicht ohne Makel, auch wenn wir uns gerne so sehen. Wir würden gerne selbst die Lichtgestalt sein. Wir würden gerne selbst in der Lage sein, den Himmel auf die Erde zu holen – zumindest für uns. Aber es ist keine Schande sich einzugestehen, dass wir das nicht können. Im Gegenteil: es kann befreiend sein, zu erkennen: diese Bürde muss ich mir nicht auferlegen. Ich muss nicht einen Himmel erschaffen. Ich muss ihn nur finden. Ich muss nicht selbst der Held / die Heldin sein. Ich kann mich führen lassen.
Heinrich Harrer ist bei seiner Bergexpedition auf der Suche. Was er sucht, weiß er selbst nicht genau. Aber auf dem Gipfel seiner Reise geschieht eine Begegnung. Er begegnet dem jungen Daleirlama – zunächst mit Ehrfurcht und Sorge. Dann aber wird er von ihm berührt – äußerlich und innerlich. Diese Berührung verwandelt ihn. Er kann wieder lachen. Und: er baut ein Kino für den Daleirlama. Und warum das? Um einen Grund zu haben, bleiben zu können. Und vielleicht auch, weil er in dem jungen Mann seinen eigenen Sohn sieht, den er so vermisst.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum Petrus die drei Hütten bauen will. Damit diese Begegnung nicht endet. Damit Jesus, Mose und Elia bleiben. Und damit auch er bleiben kann. Gott offenbart ihm Jesus als seinen Sohn. Und Petrus will diesen Moment festhalten, diesen Moment, der für ihn ein Stück Himmel ist; diesen Moment, in dem er als einer von drei Auserwählten dem Sohn Gottes, dem Messias, den er, ja sein ganzes Volk, schon so lange suchen, nahe sein darf.
Nicht nur die Geschichten der Heiligen kennen diese Momente, in denen sich der Himmel für einen Moment öffnet. Auch viele von uns haben es wahrscheinlich schon erlebt. Diese besonderen Momente, in denen wir Gott spüren, erkennen, dass alles einen Sinn hat, dass da mehr ist, als nur die Oberfläche, in denen wir Gott geradezu begegnen. Und diese Momente wollen wir festhalten. Deshalb kehren wir an diese Orte der Begegnung zurück. Deshalb schaffen wir uns Hilfen, die diesen Moment zurückholen sollen: Wallfahrtsorte, Schreine, Kirchen… gleichsam Zelte Gottes in der Welt. Und ja, tatsächlich, Gott will unter den Menschen wohnen, seine Hütte, sein Zelt aufschlagen. Deshalb haben wir als Symbol dafür heute links und rechts des Altars zwei Zelte aus Stoffbahnen aufgeschlagen. Und wo ist das dritte Zelt? Das steht schon länger hier: Der Tabernakel. Tabernakulum heißt Zelt. Hier zeltet Tag ein Tag aus ein Stück Himmel und wartet darauf, dass wir ihm begegnen wollen.
Heinrich Harrer kann nicht bleiben. Die harte Realität macht auch vor dem entlegenen Tibet nicht halt. Und sein Freund der Daleirlama will auch nicht, dass er bleibt. Heinrich soll gehen und sich dem stellen, woran er nicht vorbeikommt. Der Begegnung mit seinem Sohn. Wer den Berg erklommen hat, und all die Herrlichkeit des Gipfels gekostet hat, muss dennoch wieder hinuntersteigen. Heinrich Harrer geht nicht als der Mann, als der er gekommen ist. Er hat sein Stück Himmel gefunden, aber nicht den Himmel selbst. Dieses Stück jedoch hat ihn verändert. Diese Stück Himmel hat ihm die Kraft gegeben, sein Stück Welt zu meistern.
Auch die Jünger steigen den Berg wieder hinab. Und Jesus macht ihnen klar. Bevor dieser Himmel für sie Realität bleiben kann, muss er erst seinen Weg zu Ende gehen, sein Kreuz tragen, den Tod erleiden und auferstehen. Es ist noch ein langer Weg bis zu dem, was sie gesehen haben.
Auch wir können uns den Himmel nicht auf die Erde holen. So oft wir auch einen Blick in den Himmel werfen, auch wir müssen unseren Weg weiter gehen, den Berg wieder hinuntersteigen in die Welt hinein. Aber diese Momente der Begegnung mit Gott, diese Stücke vom Himmel, die wir erleben dürfen, verändern uns, stärken uns. Sie geben uns unser verlorenes Lächeln zurück und die geschwundene Kraft. Sie halten uns vor Augen, dass der Himmel existiert. Für mich ist gerade wieder so ein Moment. Über Monate hinweg hat ein ganzes Team diesen Gottesdienst, diesen Moment der Begegnung mit Gott vorbereitet. Und gerade jetzt gibt er mir Kraft und Zuversicht, weil ich spüre, wie Gottes Geist wirkt und die Menschen bewegt. Und das in einer Zeit, in der es die Kirche nicht leicht hat. Trotzdem: Gott ist da. Er geht mit uns. Wir dürfen zu ihm kommen und uns ein Stück Himmel schenken lassen.“
Auch die Fürbitten wurden zu einer Besonderheit. Die anwesenden Gottesdienstbesucher konnten anonym eine SMS an eine extra dafür eingerichtetes Handynummer senden. Das Technikteam rund um Volker Keck übertrug diese Bitten auf die große Leinwand. Mit musikalischer Untermalung wurden diese meist sehr ergreifenden kurzen Texte auch während der Kommunionausteilung eingeblendet.
Musikalisch umrahmt wurde dieser eindrucksvolle Gottesdienst nicht nur durch Roland Assion an der Orgel, sondern auch von den Chor-Kids vorne im Altarbereich, die im Wechsel mit der Orgel und der Gemeinde passende Lieder aus dem Gotteslob ausgewählt hatten. Einen großen Teil der Messe gestaltete die Band GloryUs, die in ihren Liedern Bezug zur Thematik aufgriff und einfühlend sich in die Herzen der Gottesdienstbesucher sang. Die Mitglieder spielten hinten neben der Orgel, so dass der Raum auch musikalisch eine Dreiteilung aufwies. Die passenden Lichteffekte, die von den Brüdern Markus und Stefan Bayerl mit ihrer Ausrüstung beigesteuert wurden, an ausgewählten Stellen während des Gottesdienstes, trugen zu einem gelungen Gesamtkonzept bei.
Nach zwei Stunden verließen die Besucher die Kirche sehr berührt und auch sehr überrascht, wie kurzweilig und überwältigend diese Art des Gottesdienstes war. Viele kamen der Einladung nach und trafen sich im Pfarrheim auf einen Austausch des Erlebten und zu einer kleine Stärkung, die das Gottesdienstteam vorbereitet hatte.
Von der Idee bis zur Verwirklichung des Gottesdienstes gingen acht Monate der Vorbereitung mit mehreren Sitzungen voraus, die alle von Prälat Gerhard Pöpperl begleitet wurden. Das Kinogottesdienst-Planungsteam setzte sich aus Vertretern des Pfarrgemeinderats, der Ministranten, Musikgruppen und des Pfarrers zusammen. Mit einem kleinen Präsent bedankte sich das Team bei Prälat Pöpperl und holten sich seine Zusicherung auf Unterstützung bei einer Neuauflage des Kinogottesdienstes im neuen Jahr.